Erasmus im Gehäuse
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Der Druckstock des ‹Erasmus im Gehäuse› zählt zu den wenigen noch erhaltenen Druckstöcken des 16. Jh. Datiert wird er auf 1538, ist also zwei Jahre nach Erasmus’ Tod entstanden.
Hausten in Erasmus’ Gehäuse einst auch Würmer?
Doch woher kommen die Löcher im Holz? Hausten einst auch Würmer bei Erasmus im Gehäuse? Oder dienten sie dazu, den Stock beim Druck zu fixieren, oder um die beiden Holzlagen miteinander zu verbinden?
Denn der Druckstock besteht aus je einer Lage Kirsch- und Buchsbaumholz; im 3D-Modell ist die Fuge zwischen den beiden Holzsorten gut sichtbar. Wozu brauchte es zwei verschiedene Hölzer? Das Bildnis des Erasmus ist eine Arbeit von höchster Präzision, die sich mit einem Hartholz wie dem Buchsbaum besser erreichen liess. Doch solche Harthölzer waren teuer, da sie langsam wachsen, weswegen hier nur ein relativ dünnes Buchsbaumbrett verwendet wurde.
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Damit dieses unter dem enormen Druck in der Presse nicht zerbrach, wurde es mit einem dickeren Stück Kirschbaum verstärkt. Im Druckstock verbinden sich somit Kenntnisse über die Beschaffenheit verschiedener Hölzer und drucktechnisches Know-how mit künstlerischen Fertigkeiten sowie unternehmerischem Geist.
3D-Modelle bieten in konservatorisch sensiblen Fällen eine Alternative – fürs Publikum und für Expert:innen.
Den Druckstock schnitzte Veit Specklin sehr präzise und äusserst fein nach einer Vorlage von Hans Holbein d.J. Diese Darstellung des Erasmus wurde als ikonisches Porträt des Gelehrten geschaffen, und mit seiner Verbindung von künstlerischer, dichterischer und kulturpolitischer Bedeutung trägt es bei zur Begründung Basels als Gelehrten-Republik.
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Die Aussparung am unteren Rand deutet darauf hin, dass sich das ‹Label Erasmus› in unterschiedlichen Kontexten verwenden liess; hier konnte variabel Text eingesetzt und der Verbindung zu Erasmus eine persönliche Note verliehen werden. Tatsächlich haben sich neben dem Stock mehrere Abzüge erhalten. Aus den Beständen des Amerbach-Kabinetts stammt ein Blatt, das heute im Kupferstichkabinett liegt.
Der Künstler musste auch ein Experte für die Beschaffenheit von Holz sein.
Ein weiteres Exemplar ist im ersten Band von Erasmus’ Opera omnia eingeklebt, die 1540 bei Froben erschienen und sich ebenfalls im Besitz von Bonifacius Amerbach befanden.
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Das Inventar des Museum Faesch von 1772 verzeichnet einen «Holtzschnitt von Erasmo» in einer Lade, was die Forschung auf den Druckstock bezogen hat. Es ist wahrscheinlich, dass sich Remigius Faesch die eine oder andere Reliquie des ‹heiligen Erasmus› unter den Nagel gerissen hat, denn auch der Index-Band der Opera omnia wurde mit MUSEUM REM. FAESCH gestempelt.
Erasmus war ein Label, mit dem man sich in der République des Lettres gerne schmückte.
Das 3D-Modell zeigt kleinste Details der Herstellung ebenso wie der Materialität. Damit wird die Untersuchung und Präsentation eines einzigartigen Artefakts für ein breites Publikum ebenso möglich wie für Expert:innen. Denn aus konservatorischen Gründen sollte der Druckstock möglichst wenig Schwankungen von Temperatur und Feuchtigkeit ausgesetzt werden, auf die er äusserst sensibel reagiert; entsprechend wird er auch nur selten ausgestellt und geht kaum auf Reisen.